Das Geschäft des Lebens besteht darin,
alle Wiederholungen in einem Raum koexistieren zu lassen, in dem sich die Differenz verteilt.
Hinter der Frage nach dem Bild als einer durch die Geschichte der Kunst bedingten Wirklichkeit steht die Frage, was die Entscheidung für das gemalte Bild heute bedeutet, was dies leisten kann. Für Rolf Poellet bietet der geschärfte Blick auf Details des alltäglichen Umfeldes oder Images der medialen Kultur wie beispielsweise Fotos aus Modefachzeitschriften dafür Anknüpfungspunkte. Deren Umsetzung ins Bild lenkt die Aufmerksamkeit durch das reduzierte Formenvokabular und eine auf chromatische Töne beschränkte Farbigkeit jedoch weg vom Inhaltlichen hin zum bildnerischen Prozess. Konzentrierte Bildlösungen, die sich an ein- und demselben Motiv wie z.B. Fragmenten von Kleidungsstücken abarbeiten, spielen verschiedene malerische Prinzipien und Formen der Wahrnehmung durch, bei denen der Pinselstrich nicht nur „meint“, sondern auch in überwiegendem Maße „ist“. So bewegen sich die reduzierten Bildformulierungen stets an der Grenze zur Automatisierung der bildnerischen Gegenstände. Die eigene malerische Wirklichkeit wird dabei gegen den imaginären Raum hinter dem Bild ausgespielt, um die Differenzen zwischen Ur- und Abbild auszuloten. Die Abkoppelung der Bilder von ihrer gegenständlichen Referenz und die gleichzeitige Bewahrung des Gegenstandes im Bild bestärken eine Dichotomie, bei der sich „das Ding (…) zuerst entfernen muss, um sich wieder fassen zu lassen (…) zum geworden, ist es aber augenblicklich das Unfassbare“.² Hierin ist ein Grundprinzip der Malerei angesprochen: nicht alleine einer symbolischen Ordnung unterworfen, sind Rolf Poellets Bilder eine Freiheit der malerischen Prozessualität des dazwischen preisgegeben.
Neben der Verortung der Bildelemente in einem meist gegenständlichen Illusionsraum, bei dem nicht immer eine konkrete Gegenstandsassoziation möglich ist, ist aber auch die auf Serialität angelegte Arbeitsweise, die ein gefundenes Motiv immer wieder erneut zur Darstellung kommen lässt, entscheidendes Kriterium. Dadurch wird der Charakter des Besonderen, das Einzelbild, in einen vergleichenden Zusammenhang gestellt, während die Einmaligkeit des Dargestellten weiterhin besteht. Somit wird das Interesse am Intervall zwischen Form und Inhalt auf eine weitere Ebene überführt. Wenn Rolf Poellet sich in Werkreihen dem gleichen Motiv immer wieder neu annähert und zu verblüffend ähnlichen, aber dennoch durch minimale Differenzen gekennzeichneten Bildresultaten gelangt, so steht dahinter der Versuch, eine einmal gefundene Position erneut aus der Anschauung heraus zu reproduzieren und durch die Wiederholung von einmal gesetzten Zeichen Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Bilder zu erzeugen. Der Werkprozess umkreist also einerseits in den Wiederholungen des Motivs die Differenz von scheinbar ununterscheidbaren Dingen, anderseits bewirkt die Gegenüberstellung mit einer Bildreihe verschiedener Motive die Suche nach Gleichem in Dingen, die scheinbar nicht miteinander zu tun haben. Gilles Deleuze unterscheidet in „Differenz und Wiederholung“ zwischen der freien Differenz, die sich nicht der Identität, der Analogie oder Ähnlichkeit unterordnen lässt und dem Begriff einer komplexen Wiederholung, die nicht auf die Wiederholung des Selben reduziert werden kann: “Wiederholung heißt sich verhalten, allerding im Verhältnis zu etwas Einzigartigem oder Singulärem, das mit nichts anderem ähnlich oder äquivalent ist.“³ Gerade darin liegt ein Paradox begründet: der Versuch der Wiederholung von etwas Unwiederbringlichem, Unerreichbarem.
Was im malerischen Prozess also zunächst wie ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen anmutet, eröffnet auf den zweiten Blick eine ganz neue Sichtweise auf den Zusammenhang von Einzelbild und Serie: Gleich einer Versuchsanordnung mit genau festgelegten Parametern setzen die Bildreihen feine Differenzen frei, umkreisen eine Bildformulierung, die gar nicht endgültig getroffen werden kann oder will, die als Positive Aporie unerreichbar bleibt und stetigen Anreiz zur Wiederholung liefert. Durch die Reihe formuliert sich letztendlich ein Bildbegriff, der lediglich modelhaften Charakter besitzt und gleichzeitig die Entscheidung für eine aus vielen Möglichkeiten darstellt.
1 Deleuze, Gille: Differenz und Wiederholung, München 1997, S. 12.
² Blanchot, Maurice: L` espace littèraire, Paris 1955, S. 347.
³ Siehe Anm. 1, S. 15.